
Wir ohne uns
Veröffentlicht von Radio Jade am 03.09.2025
LED-Leisten deuten zwei Räume an. Jeder mit einer Tür, einem Fenster, vielleicht Browser-Fenster. Oder sind es Chat-Räume? Lichtwechsel deuten die Funktion an, Schatten bilden Zwischenräume oder die Realität? Zwei Menschen stehen hinter jeweils einer Tür. Entschlossen betritt Bo seinen Raum:
Bo, gespielt von Henryk Rosciszewski ist in einer Gedankenspirale gefangen, er wartet auf ein Zeichen von Amina. Zwei Wochen blieb sie für ihn unerreichbar, wurde aber als online angezeigt. Sehr zögerlich betritt sie ihren Raum, geht wieder hinaus, kommt wieder hinein. Endlich schreibt sie zurück. Doch wo war Amina, verkörpert von Nora Kelschebach? Bo hegt Zweifel an ihrer Erklärung. Wieviel Vertrauen können zwei Menschen sich schenken, die nur durch ein Datenkabel verbunden sind?
Es bleiben Zweifel. Die Dialoge kreisen immer wieder um die Frage nach der Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit zwischen den Charakteren. Ist Erdbeereis wirklich das beste Eis oder doch Schokolade? Beide Persönlichkeiten kommen einander näher, driften ab, scheinen sich außerhalb des Bildschirms zu begegnen, träumen miteinander, äußern Bedenken und Wünsche:
„Wir ohne uns“ hält uns den gesellschaftlichen Spiegel vor. Autorin Nino Haratischwili zeigt einfühlsam Isolation und Einsamkeit, insbesondere der jungen Generation. Das digitale Zeitalter stellt hohe Anforderungen an diejenigen, die eine Welt ohne künstliche Realität und Intelligenz nicht mehr kennen. Fast alles ist nur einen Mausklick oder Fingerstreich entfernt:
Wir ohne uns feierte am Sonntag Premiere. Bis Ende September und im Frühjahr 2026 gastiert das minimalistisch ausgestattete wie liebevoll und detailreich inszenierte Stück im The‘ Os am großen Hafen. Die nächste reguläre Aufführung beginnt am 10. Oktober um 19 Uhr.
Foto: Volker Beinhorn
